Volvo XC40 Pure Electric im Test: Irgendein Risiko ist immer
Wir Elektropioniere sind Kummer gewohnt. Umso erfreulicher, wenn mal fast alles klappt â wie beim Abo des Volvo XC40 Pure Electric. Aber nur fast.
Der Volvo XC40 Pure Electric: ein richtiges Auto, hier im Abo, fĂ€hrt und bremst wie erwartet, hat Google Automotive fĂŒr durchdachtes Navigieren an Bord. Das haben bisher nur wenige Autos, es ist mehr als die Spiegelung des Android-Handys aufs Display des Autoradios. Die Google-Software lĂ€ut so direkt auf einer Hardware namens Volvo â mit meist positiven Folgen im Zusammenspiel mit dem Wagen.
Nach meinem ersten leicht verunglĂŒckten Ausflug in die ElektromobilitĂ€t mit einem Renault Zoe habe ich jetzt auf ein richtiges Auto umgesattelt. Ein Volvo XC40 Pure Electric ersetzt die Kinderkarre. Der Wagen lĂ€sst sich mit einer Pedale fahren. Die Navigation macht sinnvolle VorschlĂ€ge fĂŒrs Nachladen auf lĂ€ngeren Strecken. Und kein Eco-Modus erzeugt durch irrsinnige Verlangsamung auf Tempo 72 auf der Autobahn lichthupende Lastwagen im RĂŒckspiegel. Kurz: Es gibt E-Autos mit durchdachtem Nutzerinterface.
Der Weg zum Volvo war freilich mit Dornen bestĂŒckt. Schuld hat Volkswagen: Als ich meinen Schummeldiesel dort abgab, bot der HĂ€ndler eine Testfahrt mit dem ID.4 an. 70 Kilometer spĂ€ter hatten mich die Assistenzsysteme fĂŒrs Abstandhalten, Tempomat und Spurhaltesystem angefixt. Die Technik, die kann was.Â
Das Wochenende darauf war der gewĂŒnschte Wagen online zusammenkonfiguriert. Nur leider dauerte es vom Zusammenklicken des ID.4 bis zum eigentlichen Angebot von der HĂ€ndlerin um die Ecke fast einen Monat â âwas ziemlich gut gelungen istâ, wie sie mir fĂŒr meine Leistung des Geklickes mit einem Smiley anfangs schrieb. Die Wartezeit fand ich hingegen weniger gelungen. Auch, so schrieb sie weiter, wĂŒrde sie sich freuen, wenn sie meine kompletten Kontaktdaten bekommen könnte, dann könne sie schauen, âob wir eventuellâ eine Lieferzeit abfragen können. Eventuell?
Da hatte ich mir bereits den Volvo eine Webseite weiter zusammengestellt und einen Werktag spĂ€ter einen Liefertermin geholt. FĂŒnf Wochen spĂ€ter gab mir der Volvo-Mann den SchlĂŒssel: âSie sind einer der wenigen, die zurzeit einen Wagen ausgeliefert bekommenâ, beglĂŒckwĂŒnschte er mich, als hĂ€tte ich einen Hundert-Meter-Lauf gewonnen. Die âkurzeâ Lieferzeit liegt daran: Ich zahle den Wagen im Abo. Er wird mir also nie gehören. Binnen drei Monaten kann ich das Abo kĂŒndigen. DafĂŒr muss ich mich nicht um Winterreifen, Haftpflicht-Versicherung, Wartung und Kfz-Steuer kĂŒmmern. Zumindest nicht bei den Kosten. Die sind im 700-Euro-Monats-Abo enthalten.
FĂŒr das viele Geld gibtâs viel Auto. Ordentlich Stauraum im Vergleich zur Kinderkarre. Eine Beschleunigung zum In-die-Sitze-Pressen, wenn man denn mal die guten Manieren vergisst und dem Porsche an der Ampel die Grenzen seines Verbrenners aufzeigen möchte. Dazu Schalter statt Schalterchen und ordentliche Hebel statt Plastikscharniere. Alles in der richtigen Entfernung mit klarer Funktion.Â
Und Fahren mit einer Pedale? Geht man vom Gas, bremst der Wagen automatisch und nicht zu wenig. Mit dem richtigen FuĂballengefĂŒhl hĂ€lt er die Geschwindigkeit. Vorausschauend gefahren, braucht man die Bremspedale nur noch fĂŒr Notsituationen. Oder man schaltet gleich den Tempomat ein, bestĂ€tigt mit zwei Wippen am Lenkrad die gewĂŒnschte oder maximal zulĂ€ssige Geschwindigkeit und hĂ€ngt sich so an den Vordermann ran. Der Abstandhalter hĂ€lt dann automatisch eine, zwei oder drei FahrzeuglĂ€ngen Abstand und bremst bei Bedarf sogar bis zum Stillstand. Beim Wiederanfahren ist das System etwas trĂ€ge, aber es ist halt ein Volvo â auĂer man gibt per FuĂpedal extra Gas. Dann kann der Karren gleiten wie ein junger Lamborghini, ohne Auspuff.
FingerabdrĂŒcke abzubilden sind eine besondere Leistung des iPhones, im Auto selbst wirkt die OberflĂ€che weniger unhygienisch. Hier hat der Volvo sein Betriebssystem upgedatet, ĂŒber die eingebaute SIM-Karte. In Foren berichten Nutzer, dass anschlieĂend ein Reboot des Autos nötig wurde. In meinem Fall fuhr der Wagen anschlieĂend wie geschmiert, ich meine beim Spurhalteassistent eine gröĂere Entfernung zum rechten Fahrstreifen ausgemacht zu haben. Und beim RĂŒckwĂ€rtsfahren springt jetzt hĂ€ufiger die Warnung vor Passanten an samt automatischer Bremse â auch wenn da nur eine Schaufensterpuppe in der RĂŒckfahrkammer sichtbar war.
Kern des Autos ist das Center Display. Das Betriebssystem des Volvo-Navis stammt von Google. Wohlgemerkt, es ist das Betriebssystem Android Automotive, nicht einfach dieses schön lĂ€nger erhĂ€ltliche System Google Auto, das die Funktionen eines Android-Smartphones auf dem Autoradio spiegelt. Google Auto ist auf vielen Automarken nutzbar, Google Automotive bisher nur bei jĂŒngeren Volvos, dem Renault Megane und dem Volvo-Luxusschlitten Polestar. Es werden mehr Autos werden, denn die jahrzehntelange Erfahrung von Google beim Komponieren von Benutzermasken wird umgehend sichtbar. Davon kann Volvo oder Volkswagen nur lernen.
Zur Nutzung von Google Automotive ist eine Gmail-Adresse vonnöten. Sie wird mit dem Auto gekoppelt. Wer wie ich seit etwa zwei Jahrzehnten Gmail mit einer eigenen Domain nutzt, erhĂ€lt eine Fehlermeldung beim Verbinden. FĂŒr diese speziellen Workspace-Adressen von Google ist die VerknĂŒpfung mit dem Volvo noch nicht möglich. So entfallen dann leider auch einige Funktionen wie der Zugriff auf Adressen aus dem Google-Adressbuch als Navigationsziele. DafĂŒr gibt es im Google Play Store ein paar erste wenige fĂŒrs Auto gedachte Apps, etwa die ARD-Audiothek oder Spotify. Die Spracherkennung des Google-Autos ist noch mit Luft nach oben. Nicht zu vergleichen mit Apple Carplay (das ich auf dem vorherigen Schummeldiesel von Volkswagen nutzte) und das auf dem Volvo XC40 leider noch nicht funktioniert. Es ist seit einem Jahr angekĂŒndigt. Wie es heiĂt, wird das nur auf der Mittelkonsole funktionieren, nicht aber auf dem zusĂ€tzlichen Display hinterm Lenkrad. Das wĂ€re eine EnttĂ€uschung.
Nicht so bei Google Automotive. DarĂŒber erhĂ€lt das Betriebssystem im Autoradio besseren Zugriff auf autointerne Daten wie die Reichweite oder den Ladestand des Auto-Akkus, und es erzeugt auch eine weitere durchdachte Ansicht auf dem Display hinterm Lenkrad. Da wird das KurfĂŒrstliche Schloss in Koblenz schon mal in 3-D beim Vorbeifahrenangezeigt, und die HĂ€userschluchten der Altstadt bekommen ein Gesicht.
AAOS, das Android Automotive Operating System von Google, bewirkt offensichtlich noch mehr: Durch irgendeine Systemmagie bekommt das Autoradio dann doch Zugriff auf bestimmte Dinge aus der Cloud: Da suchst Du auf dem Sofa am iPhone-Handy, eingeloggt mit der Workspace-E-Mail-Adresse von Gmail, nach der Adresse fĂŒr einen Termin am nĂ€chsten Morgen, um die richtige Abfahrtzeit zu planen. Im Navigationssystem des Autos, eingeloggt mit der anderen Gmail-Adresse ohne Workspace, taucht dieselbe am Vorabend gesuchte Adresse dann unter âFrĂŒhere Suchenâ auf. Itâs magic. Und ein wenig spooky. Was sich dann auch zeigt, als ein paar Tage spĂ€ter noch ganz andere Suchen nach Adressen hier auftauchen. Es waren die des Sohnes â obwohl wir fĂŒr ihn ein weiteres Profil im Auto mitsamt eigener Gmail-Adresse eingerichtet hatten.
Immerhin brauchbar ist diese Navigation beim Planen von Ladestationen unterwegs. Bei einer realistischen Reichweite von 250 Kilometern schlĂ€gt der Google-Volvo jegliche Elektro-Stationen in der NĂ€he vor und gibt Hinweise auf solche mit schneller oder mittelmĂ€Ăiger Ladegeschwindigkeit. Das könnte noch etwas intelligenter sein und die optimale Anhaltestrategie zeigen â aber ich will nicht kleinlich sein. Kein Vergleich ist das jedenfalls zur Ladestationssuche im Renault Zoe. Da wird schon mal sinnfrei die Liste der Benzintankstellen gezeigt.
Ein Wort zur Reichweite von Elektroautos. WLTP heiĂt der Standard, den alle Autohersteller beachten mĂŒssen, wenn sie die Reichweiten ihrer geladenen Wagen angeben. Sie stimmen nur auf dem PrĂŒfstand unter genau bestimmten Bedingungen, in der Praxis gilt es immer viele Kilometer abzuziehen. So werden beim XC40 aus 418 Kilometern laut WLTP-Messungen im ADAC-Test 310 Kilometer. WLTP: Ein Fall fĂŒr die VerbraucherschĂŒtzer. Wer denkt sich solchen Betrug aus?
Im Marcus-Schwarze-testet-die-Beschleunigung-Vergleich auf freier Autobahn sindâs dann schon mal nur noch 250 Kilometer. Im Sommer. Bei 18 Grad. Nicht machen. Erst recht nicht im akkufeindlichen Winter.
Problematischer fĂŒr den Google-Volvo sind die Ladestationen vor Ort in der Bedienung. Testfahrten rund um Koblenz entlarvten etwa die HĂ€lfte der Ladestationen als nicht ohne Weiteres benutzbar. In Montabaur etwa zeigte eine Ladestation bei Aral eine handschriftliche Notiz, dass Kreditkarten noch nicht funktionierten. Die angebotene Freischaltung per QR-Code und Scan auf dem Handy fĂŒhrte zu einer Webseite, auf der persönliche Daten und Kreditkartendaten einzutragen waren. Freischalten lieĂ sich das Ladekabel dennoch nicht. Und das, obwohl ich Abitur habe und Zeit hatte.Â
Die einen parken so, die anderen so. Nutzung einer kostenlosen Ladestation beim Aldi.
Bei einer anderen LadesĂ€ule in Koblenz waren diverse Abzapfversuche mittels ADAC-Ladekarte, Kreditkarte, iPhone-Nearfeld-Chip und Foto-Scan eines QR-Codes ohne Erfolg gekrönt. Nach erstmaliger LektĂŒre des Bedienhandbuchs des Autos fiel mir dann eine zusĂ€tzliche Karte des Dienstes Plugsurfing in die HĂ€nde, mit dem Volvo kooperiert und fĂŒr den einzelne LadesĂ€ulen vergĂŒnstigte Strompreise anbieten. Mehrere Apps und Dienstleister fĂŒllen so mittlerweile das iPhone und die Kartensammlung, damit die LadesĂ€ulen nutzbar werden.
In der Praxis hĂ€lt man dann nacheinander die Karten, das Handy und die Kreditkarten vor die Ladestation, in der Hoffnung, dass etwas passiert.Tarife sind so undurchschaubar wie einst die fĂŒrs Handy â mit allen Spielarten von monatlichen GrundgebĂŒhren, maximal nutzbaren Kilowattstunden pro Monat und Cent-Differenzen im zweistelligen Bereich pro Wattsekunde plus Ladestationsbesetzungspauschale, abgerechnet wiederum pro Minute. Unannehmbar. Einige Anbieter sind so frech, direkt mit der sofortigen Freischaltung 49 Euro pauschal von der Kreditkarte abzubuchen â nicht nur zu reservieren â, um dann nach dem Ladevorgang die Differenz zu den eigentlichen Kosten zurĂŒckzuerstatten. In einem Fall dauerte die RĂŒckerstattung mehrere Tage. Die Autoladewelt ist auch hier ein einziger Fall fĂŒr die VerbraucherschĂŒtzer.
Dieser Bursche in Lahnstein meldete innerhalb von 20 Minuten weitgehend erfolglosen Ladens drei Ladeversuche und reservierte dreimal 50 Euro. GlĂŒcklicherweise waren die Kosten nur reserviert, wurden nicht wirklich abgebucht. Beim dritten Versuch gelang dann immerhin das Laden, nach einer Viertelstunde habe ich aber abgebrochen. Es hĂ€tte noch etliche Stunden gedauert, mangels Ladetempo.
Versöhnt wird man aber mit niedrigen Kosten fĂŒrs Vollladen oder besser: fĂŒrs 90-Prozent-Laden, dazu gleich mehr.Â
Heute Nacht lĂ€dt der Volvo nun in der heimischen Garage. Das ist nicht vergleichbar mit den ârichtigenâ Ladestationen, wo fĂŒr Teslas 300 Kilowatt und einen wie den Volvo 150 Kilowatt möglich sind. Dann ist der Volvo schon mal nach einer viertel oder halben Stunde wieder bei 90 Prozent Ladung. Besonders umschwĂ€rmt ist mittlerweile ein Aldi im ganz anderen Stadtteil von Koblenz, wo eine solche schnelle Ladestation wĂ€hrend der Ăffnungszeiten kostenlos nutzbar ist. Einfach Kabel anstecken und gut, ohne App, Kreditkarte, QR-Code, Ărger. Einkaufen wird so zum Ladebelohnungserlebnis.
Zu Hause an der normalen Steckdose braucht es dagegen bis zum nĂ€chsten Morgen. âFertig um 4.43 Uhrâ, meldet die Volvo-App auf dem Handy. Voreingestellt ist allerdings eine Ladung von nur 90 Prozent der Akku-KapazitĂ€t, dann schaltet das Laden ab. 100 Prozent wĂŒrden dem Akku langfristig schaden.
Was wohl insgesamt fĂŒr dieses E-Auto gilt. So hundert Prozent ausgereift wie der Verbrenner sind E-Autos noch nicht. Und selbst wenn man ein gutes wie den XC40 gefunden hat, ist manche Logistik dahinter noch Neuland.
Andererseits hat man nach einem Wochenende Rundreise in heimischen Gefilden die guten, die schnellen und die Ugly-Stationen in der Heimat ausgemacht. Die guten laden mit 150 kW und kosten nichts. Die ebenso schnellen weiteren wie an der Aral-Tanke kosten einen gemĂŒtlichen Kaffee und maximal einen Zwanziger. Die Ugly-Stationen erfordern das Anstöpseln eines mitgebrachten Kabels, laden langsam und sind unerprobt in der Bedienung per App und Ladekarte; sie werden vermutlich bald wieder verschwinden.
Bliebe noch die Ladestation zu Hause: Ăber Nacht ist das Auto wieder voll, fĂŒr den Stadtverkehr geeignet.Â
Warum ich dennoch den XC40 im Abo wieder zurĂŒckgebe: Auf Dauer ist das Abo zu teuer. FĂŒr etwas weniger Geld lĂ€sst sich die Luxusversion des Autos, ein Polestar 2, leasen. Dann gibtâs ein Sonnendach und extra digitalen Schnicki wie das hierfĂŒr ebenfalls angekĂŒndigte Apple Car Play oder die 360-Grad-Rundumsicht beim Einparken, ich mag so etwas. Und die monatlichen Kosten sind nicht zum Fenster herausgeschmissen, sondern zahlen auf den Besitz des Fahrzeugs am Ende der Laufzeit ein.
Ob der Akku dann noch so gut funktioniert wie zu Beginn, steht auf einem anderen Blatt. Aber irgendein Risiko ist halt immer.Â