Künstliche Intelligenz erweckt Memes zu Kurzvideos

Künstliche Intelligenz erweckt Memes zu Kurzvideos
Foto: Antonio Guillem/iStock

Das vielleicht berühmteste oder zumindest langlebigste Meme des Internets heißt „Distracted Boyfriend“ und zeigt einen jungen Mann, der mit seiner Partnerin die Straße entlanggeht; als beide einer anderen Frau begegnen, schaut er ihr lüstern hinterher, seine Freundin blickt ihn dabei ungläubig-irritiert an. Die inszenierte Aufnahme stammt von dem spanischen Fotografen Antonio Guillem, aufgenommen hat er sie 2015 in der katalanischen Stadt Girona.

Zum Meme, einem viralen Internetphänomen also, wurde es auf Twitter im Jahr 2017, als jemand die Partnerin als „Kapitalismus“ betitelte, den Mann als „die Jugend“ und die Fremde als „Sozialismus“. Seither gab es Tausende Varianten dieses Bildes, in dem Untreue oder die Abkehr vom Bisherigen versinnbildlicht wurden. (Bevor jemand fragt: Ich habe die Nutzungsrechte an dem Bild für diesen Beitrag ordentlich bei iStockPhoto gekauft.)

Nun entstand daraus ein Video. X-Nutzer @fofrAI hat die gleiche Szene mithilfe der Software Stable Video Diffusion so animiert,

… dass die Fremde aus dem Bild läuft, der Mann ihr weiter hinterherschaut und der missbilligende Blick der Partnerin länger anhält. Es ist nur eine kurze Szene. Doch wirkte sie vor ein paar Wochen wie der Startschuss zur Animation weiterer Memes.

So animiert Esteban Orozco das berühmte lächelnde Mädchen vor einem abbrennenden Haus in lodernden Flammen.

Rodrigo Fernandez gestaltet die Szene noch etwas realistischer.

Jemand mit dem Accountnamen Artonymousartfakt belebt den bekannten Senior „Hide the Pain Harold“ mit einer Kaffeetasse am Laptop.

Auch das „Success Kid“, ein kleiner Junge im grün-weißen Pullover mit geballter Faust, wird durch die KI zu neuem Leben erweckt. Das Meme stammt aus dem Jahr 2007.

Die Qualität der Sequenzen hat noch Luft nach oben. Die KI verändert die Gesichtszüge teilweise unnatürlich. Und die Kürze der Szenen deutet daraufhin, wie viel Aufwand, Energie und Kosten der Spaß verursacht.

Doch braucht es nicht viel Vorstellungskraft, was die Animationsprogramme in den nächsten Monaten und Jahren erschaffen: Aus Schnappschüssen werden real wirkende Filmchen. Ob Mona Lisa oder der Times-Square-Kuss eines Marinesoldaten, Albert Einsteins herausgestreckte Zunge oder die Beatles auf dem Zebrastreifen auf der Abbey Road – sie alle dürften von Enthusiasten künftig neue Bewegungen eingehaucht bekommen.

Wo das hinführt, zeigt eine Werbung von Coca-Cola, die das Werk unbescheiden als Masterpiece bezeichnet und berühmte Bilder in einer Ausstellung animiert. Wie ein „Making of“ der Szenen in einem weiteren Video zeigt, kam allerdings beileibe nicht der gesamte Clip aus der künstlichen Intelligenz – es war zusätzlich hoher Aufwand und viel menschliche Nachbearbeitung mittels VFX-Technik nötig. Das Video blendet zu Beginn ein, bei welcher Nachbearbeitung die KI unterstützte.

Die Vorstellungskraft der Konzerne reicht bereits weit darüber hinaus. Denn nicht nur die Herstellung von Videos, auch deren Analyse wird umgekehrt weiterer Gegenstand der KI. Das hat Google vergangene Woche gezeigt. Der Konzern schummelte allerdings bei der Vorstellung seiner künftigen KI Gemini Ultra in einem spektakulären Video. Es wirkt, als hätten die PR-Heinis bei Google den KI-Jüngern beim jüngsten Armdrücken im neuen Google Visitor Experience-Bereich gezeigt, wo der Hammer hängt:

Nebenan im D:Economy-Briefing der FAZ habe ich mir nicht nur das Video, sondern auch die KI näher angeschaut – und getestet.

Weitere Themen im dortigen „Prompt der Woche“ aus der jüngsten Zeit:

Marcus Schwarze

Marcus Schwarze

Journalist und Berater Digitales. Angelernt, nie ausgelernt bei Behörden, F.A.Z., Reporterfabrik, EA RLP, StoryMachine, Morgenpost, Rhein-Zeitung, HAZ
Koblenz, Germany