Was uns 2019 im Digitalen erwartet

2019 ist ein Jahr unter vielen, dennoch möchte ich einen Ausblick wagen: Was bewegt uns im neuen Jahr im Digitalen?


Social Media

Die steilste Kurve legt für mich LinkedIn hin – nicht weil der Dienst so tolle Inhalte liefert, sondern weil er unter der Ägide von Microsoft recht aggressive Methoden eingeführt hat. Da ist etwa der regelmäßige Versuch, die Adressbücher seiner Nutzer abzugleichen. Oder das offenbar erfolgreiche Unterfangen, Nutzer zu sinnlosen Interaktionen zu bewegen: XY ist seit fünf Jahren bei Firma YZ – gratuliere ihm dazu! „Gratuliere zur neuen Stelle!“ Gerade für Jobsuchende wird es fast unerträglich, von LinkedIn auf anonyme Profilbesuche hingewiesen zu werden – es könnte ja ein potenzieller Arbeitgeber gewesen sein. Warum der Dienst vor allem aber so erfolgreich ist, zeigen mir Veröffentlichungen großer Unternehmen: Wenn etwa Joe Kaeser von Siemens auf Twitter die AfD angeht, folgt unmittelbar darauf ein ausführliches Erklärstück im persönlichen Account des Managers auf LinkedIn. Design und Richtung des Beitrags vermitteln so etwas wie professionelle Kommunikation, und doch kommt sie persönlich daher.

Künstliche Intelligenz

Der Hype um künstliche Intelligenz erhält ja regelmäßig einen Dämpfer, sobald die Maschinen mich sowohl auf dem Festnetztelefon, dem Smartphone, per Mail und per Push-Benachrichtigung auf einen eingetroffenen Anruf hinweisen. Könnte die Intelligenz nicht automatisch erkennen, welche einzige Benachrichtigung gerade ausreicht, da ich gerade am Schreibtisch in der Nähe des klingelnden Telefons sitze? Da gibt es sicher noch mehr zu tun. Als erstes, sämtliche Benachrichtigungen abzuschalten.

Ein Trend aber will mir nicht mehr aus dem Sinn: ein Algorithmus für gute Texte. Vorausgesetzt, man verfügt über interessante Inhalte. Dann unternimmt etwa das Plugin Yoast SEO bei Wordpress eine Lesbarkeitsanalyse: Problematisch ist dann etwa, wenn man keine Zwischenüberschriften nutzt. Und zu wenig überleitende Wörter in seinen Text eingebaut hat. Passive Sprache kann die Maschine ebenfalls ganz gut brandmarken, und zu lange Sätze und Absätze fließen außerdem in die Bewertung ein. Nur bei der „Flesch Reading Ease“ stolpert die Maschine gelegentlich, da steht dann allen Ernstes: „The copy scores 41.2 which is considered schwer tu read.“ Meine Prognose: 2019 halten diese Textprüfer Einzug in die großen CMSe. Und spätestens in zwei Jahren sind sie Bestandteil ganz normaler Redaktionen.

Automatismen

Bei Facebook haben sie vor zwei Jahren eine Firma eingekauft, die Social-Media-Analysen vornimmt. CrowdTangle möchte ich seitdem nicht mehr missen: Aus einem Set an einmal eingestellten Facebook- und Twitter-Accounts schickt die Maschine immer dann eine Mail, sobald ein Beitrag dort gewisse Schwellen der Aufmerksamkeit übersteigt. Das hilft enorm, das Unwichtige und Nichtbeachtete auszusieben. Besonders hilfreich: Wenn nichts passiert, kommt auch schon mal keine Mail.

Newsletter

Nicht erst seit Einrichten des eigenen Newsletters ahne ich, dass dem Genre der Mails im Jahr 2019 noch einmal eine besondere Bedeutung zukommt. Öffnungsraten von 60 oder 70 Prozent sind durchaus machbar, und persönlicher geht’s kaum noch. Da ist für viele Unternehmen noch Luft: Ein interessantes Experiment ist der Digital-Newsletter „Background“ des Tagesspiegels. Sportliche 179 Euro kostet der Bezug pro Monat, 139 Euro bei einer Mindestlaufzeit von 24 Monaten. Wie viele Nutzer man mit kostenlosen Newslettern erreichen kann, beweisen regelmäßig Lorenz Maroldt, Florian Harms und Gabor Steingart.

Podcasts

Das gesprochene Wort aus berufenem Mund wird 2019 noch populärer, sobald es ergoogelbar ist. Podcasts werden mittelfristig bedeutender, denn Google will das Genre in seine Suche integrieren. Und dabei geht es nicht nur um die Metadaten, die die Inhalte des Podcasts beschreiben; eine automatische Spracherkennung soll die Inhalte transkribieren. Nicht nur für Radiosender brechen so neue Zeiten heran. Auch Youtube-Inhalte können so noch einmal eine weitere Aufmerksamkeitsschwelle überwinden.

Weniger schlechte Medien

Der wichtigste Trend aber dürfte 2019 sein, weniger schlechte Medien zu akzeptieren. Die Überforderung durch Push-Benachrichtigungen, Facebook-Timeline, Likes auf Instagram und gefälschten oder falschen News selbst in renommierten Medien schlägt zurück: Es entwickelt sich eine Sehnsucht zu mehr Ruhe, Gelassenheit und Professionalität im Mediengeschäft. Vielleicht erleben wir dann auch die erste Blockchain für überprüfte Fakten, eine Art blaue Haken für Videos beispielsweise. Dass es einen Bedarf dafür gibt, zeigen die sogenannten Deep Fakes – gefälschte Videos, in denen Protagonisten Sätze in den Mund gelegt werden. Am Ende können nur der Kameramann und die Person selbst die Authentizität belegen – womit wir wieder auf Plattformen wie LinkedIn wären, die dazu dienen könnten.

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Marcus Schwarze

Marcus Schwarze

Journalist und Berater Digitales. Angelernt, nie ausgelernt bei Behörden, F.A.Z., Reporterfabrik, EA RLP, StoryMachine, Morgenpost, Rhein-Zeitung, HAZ
Koblenz, Germany