Wir haben die Kontrolle über Updates verloren

Updates hat aktuell keiner mehr im Griff. Selbst wenn er es wollte. Wir haben die Kontrolle über Updates verloren.


Der Newsletter für Erkenntnis und Interesse: Über die Folgen der Digitalisierung.

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Unser Brennwertkessel wird in ein paar Tagen 15 Jahre alt. Er hat seitdem noch nicht ein einziges Software-Update erlebt. 131.037 Betriebsstunden nennt das Display.

Hunderteinundreißigtausendundsiebenundreißig Stunden. Seit 14,95 Jahren läuft der Bursche zuverlässig.

Als einziges Problem vermerkt der genügsame Rechner in seiner Störungshistorie den wiederkehrenden Fehler „D3“. Seit 15 Jahren. Wir duschenden Brennwertkesselkenner in unserem Haushalt erleben „D3“ immer dann, wenn jemand die Dachfenster im Flur auf offen gestellt und so belassen hat. Das Wasser bleibt dann kalt.

Der Schornsteinfeger hat seinerzeit für diesen Fall eine Abschaltautomatik für heißes Wasser verfügt, wegen der Gefahren schadstoffbelasteter Durchlüftung. Gleichwohl hat er zuletzt schon mal ein Update angeboten, um die Abschaltautomatik abzuschalten, „da passiert eh nichts“. Doch dabei schwangen die Kosten einer vermeidenswerten, kostenbewehrten Handwerkerstunde mit. Wozu also das Update? Zumal, wenn es lebensgefährlich sein könnte?

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Die Abschaltautomatik für unseren Diesel der Marke Volkswagen hat nur sechseinhalb Jahre gehalten. Die Motorsteuerung schaltete immer dann die Abgasreinigung ab, wenn sich der Wagen im Prüfstandmodus wähnte. Letzte Woche verfügte das hiesige Ordnungsamt: Die Abschaltautomatik muss binnen drei Tagen weg. So sind sie in Koblenz. Ein Software-Update musste her. So bekam der Sharan nach fast sieben Jahren seine erste Verjüngung. Ungeupdatet blieben dagegen der Kartenstand des Navigationssystems. So etwas kostet. Und das Autoradio werkelt auch weiterhin im Modus von 2011. Ein aktueller 1200-Euro-Spezialcomputer namens iPhone kann auch weiterhin nicht den Bildschirm und die Tasten im Auto auf moderne Weise nutzen, wie es Apple jedem Autohersteller anbietet.

Der Motor im Wagen fährt nun dauerhaft im Prüfstandmodus, dem offenbar modernsten Zustand. Und Volkswagen hat neben einem Kaffee während der einstündigen Update-Prozedur zwölf Gutscheine für künftige AdBlue-Nachfüllungen spendiert. Bisher musste man diesen Stoff, der die Abgase reinigt, alle etwa 15.000 bis 30.000 Kilometer selbst nachfüllen. Künftig wird das wohl häufiger nötig, man munkelt von nur noch 5000 bis 10.000 Kilometern Reichweite. Ob der Wagen nun so wenig Stickstoffdioxid produziert wie ein Radfahrer, weiß ich nicht. Die Umweltplakette hat jedenfalls kein Update bekommen, sie bleibt weiterhin auf „4“. Ein Diesel-Fahrverbot droht somit unverändert. Warum also das Update?

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Ein Jahr lang hat ein kleiner pi-Computer in unserem Haushalt kein Update bekommen. Die Bastelei ist eine Smarthome-Lösung auf Basis des freien Projektes fhem. Das Projekt ist klasse, der Einstieg schlimm bis unmöglich. Aber die Logik in fhem besticht. Einmal richtig aufgesetzt, steuert der damit bestückte Minirechner Stromsteckdosen und – am Brennwertkessel vorbei – per Funk die Heizungsthermostate in einigen Zimmern. Steht da etwa ein Fenster in einem Zimmer länger offen, greift eine Abschaltautomatik und regelt den nahegelegenen Thermostat herunter. Täglich um Punkt 12 Uhr schaltet der Pi einen Kaffeeautomaten in der Küche ein und um 17 Uhr wieder aus. Einen Lautsprecher, den wir als „Soundschubse“ im System hinterlegt hatten, konnten wir bis vor Kurzem ebenfalls per App steuern. Bis vor Kurzem.

Weil auf dem USB-Stick kein Speicher mehr vorhanden war, die Logdateien ungelöscht blieben, war das System irgendwann gravierend gestört. Der Fehler in einer Bastellösung. Neustarts nutzten nichts, es blieb nur, sich per ssh auf dem Pi einzuloggen, die Logs von Hand zu löschen, per Befehl „sudo apt-get update“ und „sudo apt-get upgrade“ alle Software-Bestandteile auf den neuesten Stand zu heben. Erkläre das mal im Familienkreis.

Jetzt gibt allerdings die Soundschube keinen Mucks mehr. Auf der Kinder-Etage wird schlechtes WLAN beklagt, erste Analysen bestätigen den Befund. Von AVM gäbe es ein Update für die Fritzbox und die WLAN-Repeater, aber ach: Das gibt’s nur für die Repeater, nicht für die Box. Der Provider Vodafone gibt das Update noch nicht weiter. Es wird kompliziert.

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Mein Gedanke: Wir leben in der Update-Gesellschaft. Woran es fehlt, sind Update-Manager. Ich bin so einer. Aber wo lernt man das eigentlich? Und warum halten Brennwertkessel 15 Jahre ohne Update?

Updates hat aktuell keiner mehr im Griff. Selbst wenn man wollte, das Zusammenspiel aller Komponenten wird ohne neue grundlegende Mechanismen zu kompliziert. Daran müssen wir arbeiten.

Marcus Schwarze

Marcus Schwarze

Journalist und Berater Digitales. Angelernt, nie ausgelernt bei Behörden, F.A.Z., Reporterfabrik, EA RLP, StoryMachine, Morgenpost, Rhein-Zeitung, HAZ
Koblenz, Germany